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Lebensmittelskandal Pferdefleisch

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Und wieder einmal reden wir über einen Skandal im Lebensmittelbereich. Das wird auch langsam zur Gewohnheit, oder? Für’s Protokoll: die Diskussionen über die Vorzüge von Pferdefleisch in dem Zusammenhang, finde ich am Thema vorbei. Die werden sicher bestehen, keine Frage, aber das Problem war ja nicht, ob Pferdefleisch gesünder ist als Rindfleisch, sondern dass es nicht angegeben wurde. Und dass man sich jetzt natürlich fragt, wie sowas sein kann.

Für mich steht außer Frage, dass das unbedingt mit unserem System der Lebensmittelproduktion und mit unserem Umgang mit Lebensmitteln zu tun hat.
Wir wollen alles haben, aber kosten darf es nix und wenn wir Lasagne fertig kaufen, bilden wir uns ein, dass wäre eine Hilfe, weil wir ja dann mehr Zeit für andere Dinge hätten. Für die brauchen wir aber auch Geld, dass wir beim Essen dann einsparen müssen. Billiges Fleisch bezahlen wir mit den Zusatzkosten unserer eigenen Gesundheit und der Gesundheit unserer Kinder – so einfach ist das. Angeblich billiges Fleisch macht krank. Wir überschwemmen unseren Körper mit Medikamenten aus diesem Fleisch und mit den Stresshormonen und der gequälten Energie, der Tiere, die wir für die Produktion gequält haben. Von den ökologischen Folgen der Massentierhaltung mal ganz abgesehen.
Gut, was hat das jetzt mit dem Pferdefleisch zu tun? Aus aktuellem Anlass gab’s die Tage einen Bericht – ich glaube auf 3sat. Ich hab leider nur den Schluß gesehen, aber da wurde die Produktionskette eines solchen Fertiggerichts beschrieben. Eine französische Firma bestellt Fleisch in Zypern, die zypritotische Firma bestellt weiter in Polen. Die wiederum kriegen das Rind aus den Niederlanden und liefern an eine Tochterfirma der französischen Firma in Luxemburg, wo das Produkt dann hergestellt wird. Ich meine abgesehen davon, dass da Lebensmittel durch halb Europa reisen – wie kann es denn sein, dass all diese Firmen auch noch was dabei verdienen? Ich mein, für Ruhm und Ehre werden Sie es ja nicht machen. Das Endprodukt ist total billig, mehrer Firmen verdienen entlang der Produktionskette – wie wertlos muss das Anfangsprodukt denn dann sein. Und wie kann man dann erwarten, dass dieses Anfangsprodukt auch noch von bester Qualität ist? Der Bauer im Ort kann das Fleisch nicht so billig produzieren. Ein Teil der Erklärung liegt sicher in der Massentierhaltung, da ist die “Produktion” sicher billiger, als wenn die Tiere anständig gehalten werden. Aber lassen wir die moralischen Aspekte mal außen vor – will ich mir selbst das wirklich antun? Ist es das wert?
Und noch was, diese undurchsichtigen Wege machen eine Kontrolle natürlich um so schwieriger. Und schwierige Kontrollen erlauben es unehrlichen Menschen eher da anzusetzen und was zu drehen, oder?
Streben wir in unserem eigenen Leben nicht alle nach möglichst großer Transparenz? Ist es Ihnen nicht lieber, die Dinge liegen am Tisch und alle kennen sich aus? Warum wollen wir das da nicht auch so haben? Warum wollen wir nicht wissen, wo das, was wir essen herkommt und wie es produziert wird? Nur weil uns dies Unwissenheit vermeintlich billigere Preise garantiert? Komischer Tausch, oder?
Der zweite Aspekt dieser Diskussion, der mich aufregt, ist folgender. Das Argument – immer wieder zum Thema verantwortungsbewusster Lebensmitteleinkauf vorgebracht – “Ja, die Reichen können sich das ja erlauben. Die können ja wählerisch sein. Aber die alleinerziehende Mutter, die hinten und vorne mit dem Geld nicht auskommt, die kann nicht so wählerisch sein und ist auf billige Lebensmittel angewiesen.” Also erstens frage ich mich immer, wieviele Beispiele dieser Art, derjenige kennt, der sowas vorbringt. Ich kenne keine wirklich armen Menschen. Das liegt sicher auch an meiner behüteten Umgebung, keine Frage.
Ich würde gerne mal wissen, ob das stimmt. Ist es wirklich nicht anders möglich? Liegt es wirklich daran, dass “gute” und gesunde Lebensmittel zu teuer für diese Menschen sind. Es wäre ja auch möglich, dass einfach falsch eingekauft wird. Immerhin werden bei uns auch Unmengen an Lebensmitteln weggeworfen. Das liegt ja auch daran, dass man falsch einkauft. Außerdem nimmt Fleisch in unserer Ernährung ohnehin einen viel zu hohen Stellenwert ein. Klar, das ist in jedem Fall teuerer, als Getreide und Gemüse. Kostet ja auch mehr in der Herstellung.
Nein, ich weiß es nicht mit Sicherheit. Durchaus möglich, dass es sogar stimmt. Aber ist das dann nicht erst recht ein Argument, dafür, dass wir dringend was ändern müssen. Ich hab mal gelesen, dass bei uns nicht mehr Untergewicht sonder Übergewicht ein Zeichen von Armut ist. Weder das eine noch das andere können wir wollen. Aber wenn wir auch jetzt noch nicht wissen, wie es gehen soll, müssen wir doch an dem Ideal festhalten, dass alle Menschen genug zu essen haben – in der “Dritten Welt” und bei uns. Wenn tatsächlich arme Menschen auf solche billigen Lebensmittel angewiesen sind, kann das doch trotzdem kein Argument für die Aufrechterhaltung dieses Systems sein.
Gut, so war’s vielleicht nicht gemeint. Ich glaube, das sollte einfach ein Gegenargument zu “Schuld ist der Konsument selber” sein. Finde ich per se auch als Gegenargument nicht gut, aber bitte, ja man könnte es anführen. Es stört mich nur, dass es ja keinen Handlungsvorschlag enthält. Es ist einfach nur zurückgeworfen. Ich glaube, keiner von uns, der sich darüber Gedanken macht und darüber schreibt oder spricht, beansprucht die absolute Wahrheit für sich. Es geht einfach darum, dass viele, viele Menschen darüber nachdenken, was denn getan werden kann.
Natürlich kommt auch keiner auf die Idee zu sagen, dass die, die eh nix haben, da anfangen und federführend voranschreiten müssen. Ist ja auch Blödsinn, aber die Mehrzahl von uns, wird das ja nicht in der Form betreffen. (Auch wenn ich das Gefühl habe, dass Menschen, die dieses Argument vorbringen, sich schon dazu zählen … da wird’s aber meistens nicht stimmen, denk ich.) Und dann ist es natürlich unsere Aufgabe, in unserem eigenen Bereich nachzudenken, was ich den tun kann und will. Meiner Meinung nach, muß Veränderung immer bei mir selbst anfangen – deshalb mag ich auch diese “Die Politiker müssen das und das machen”-Forderungen nicht. Jeder kann nur sich selbst und damit die Welt ändern, anders geht’s nicht. Aber es ist natürlich auch ein Zeichen unserer Zeit immer zuerst nach den schnellen Lösungen im Außen zu suchen. So läuft das aber nicht – denke ich auf jeden Fall.
Mein Fazit: Nachdenken, nachdenken, nachdenken – am besten am allermeisten über sich selbst. Und dann auch was tun. Was kann ich mir heute vorstellen zu tun? Was will ich und was will ich nicht? Und dann niemals stehenbleiben, immer schauen, wo kann’s für mich weitergehen. Ah, und für mich besonders wichtig, unaufdringlich und ohne missionarischen Eifer auch darüber reden. Man will ja schon auch andere mitziehen wenn’s geht. Bei der eigenen Familie wäre das schon auch nicht schlecht.


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